Geschichte - Boßelverein Spohle

 Boßelverein Spohle
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Geschichte

Klootschießen
Boßeln und Klootschießen – die Heimatspiele der Friesen

Achtung Boßelspiele
Bei der ersten Fahrt auf dem Weg zur „südlichen Nordsee“ durch das Binnenland Ostfrieslands bleiben viele Urlauber verdutzt vor einem ihnen unbekannten Verkehrswarnschild mit der Aufschrift „Achtung Boßelspiele“ stehen. Kaum haben sie sich von der Überraschung erholt, ist die Straße nach einigen hundert Metern von Menschengruppen bevölkert, die Turnschuhe tragen und allerlei unbekanntes Gerät mit sich führen: Holzkugeln sowie an langen Stangen befestigte kleine Körbe. Ähnlichkeiten mit dem Gerätschaften von Apfelpflückern sind unverkennbar. Nur dass hierzulande damit in Straßengräben rumgestochert wird, als ob es da Gott weiß was zu finden gäbe.
Sollte an diesem (gewiss sonnigen) Sonntagnachmittag ein Demonstrationszug der sonst doch so friedlichen Ostfriesen unterwegs sein? Hatte man etwa die Nachricht im Verkehrsfunk überhört? Vielleicht veranlasst die Neugierde den Urlauber, mit seinem Wagen in den nächsten Feldweg einzubiegen, ihn dort abzustellen und das Geschehen auf der Straße zu beobachten.
Ein älterer, breitschultriger Mann scheint der Anführer der Gruppe zu sein. Während er breitbeinig mitten auf der Fahrbahn, leicht nach vorne gebeugt, konzentriert Aufstellung nimmt, ruft er den anderen Männern mit tiefer unüberhörbarer Stimme zu „Bahn free“.
In einer Entfernung von etwa 100 Meter zieht sich einer der jungen Burschen die Jacke aus. Er nimmt vom Straßenrand eine Kugel auf. Plötzlich schreit der ältere Mann ich zu: „Hier up an.“ Nach einem kurzen schnellen Anlauf und einem blitzschnellen halbrunden Armschlag wirft der junge Mann die Kugel gut gesetzt in Richtung des älteren Bahnweisers, der im letzten Moment der heranrollenden Kugel ausweicht.
Während die eine Hälfte der Gruppe fröhlich und mit lautem Geschrei der allmählich auslaufenden Kugel nachrennt, scheint der gute Wurf den vermeintlichen Gegner keine Freunde bereitet zu haben. Die Gesichter erhellen sich erst, nachdem auch ihr Werfer nach dem gleichen Verfahren die Kugel gut auf die Straße setzt und eine fast gleich große Weite erreicht.
Der friedliche Wettkampf, dem hier die Ostfriesen auf offener Landstraße huldigen, scheint eine Art norddeutsches Kegel- oder Boccia-Spiel zu sein. In diesem Zusammenhang stellt sich bestimmt die Frage, warum gerade in Nordwesten Deutschlands dieses einzigartige Spiel betrieben wird?

Geschichtliche Entwicklung des Klootschießens
Das Spiel hat sich im Küstenbereich seit Jahrhunderten von Generation zu Generation übertragen und weiterentwickelt. Da schriftliche Unterlagen über den Ursprung des Klootschießens und Bosseln nicht vorliegen, sind die Forscher auf mündliche Überlieferungen und Zufallsfunde angewiesen.
Vielleicht war es der Spielbetrieb der Friesen, der, wie bei fast allen Sportarten auch, Pate für das Klootschießen gestanden hat. Ein Kiesel oder ein aus Lehm- oder Marschboden handgeformter runder und an der Sonne getrockneter oder im Feuer gebrannter „Klut“, hochdeutsch: Kloß, diente zum Werfen.
Im Laufe der Jahrhunderte stellten die Friesen fest, dass die Wurfgeschosse vorzüglich geeignet waren, eindringende Seeräuber und Eroberer in die Flucht zu schlagen. Für den Ernstfall mögen die Küstenbewohner sich durch spielerische Vorbereitung gerüstet haben, zum Beispiel indem sie ein Depot anlegten und alle Familienmitglieder, auch Frauen und Kinder, das zielsichere und möglichst wuchtige Werfen mit den Kleikluten (Klei = Marsch) üben ließen.
Angeblich hat der römische Geschichtsschreiber Tacitus (55 bis 120 n Chr.) seinem Kaiser berichtet, dass die Küstenbewohner die römischen Eindringlinge mit in der Sonne gebrannten Lehmkugeln abgewehrt haben. Feuerwaffen haben den Einsatz des Klootes als Verteidigungsmittel entbehrlich gemacht, das Klootschießen aber blieb erhalten als Spiel.
Eine weitere, urkundlich nicht bestätigte Version sagt aus, dass die Küstenbewohner mit Kugeln, die an einem 40 Meter langen Hanf- oder Binsenseil befestigt waren, bei Flut Treibholz und Strandgut aus der Brandung herausholten.
In den armen Küstenregionen gehörte die Bergung von Strandgut, aber auch Seeraub zu den gewöhnlichen, nicht zu den verwerfliche Bestätigungen. Die Inbesitznahme von Strandgut galt als gutes Recht, besonders in Ostfriesland. Interessant in diesem Zusammenhang mag sein, dass auch die Eskimos die Methode das „Lassowerfens“ anwenden, um erlegte Robben in Besitz zu bekommen.
Sicher haben mehrere Umstände zusammengewirkt, damit sich das friesische Volksspiel Klootschießen im Bereich der Marschen und Deiche entwickeln konnte. Aus der Verteilungswaffe oder dem Bergungsgerät wurde im Laufe der Jahrhunderte ein Spielobjekt, das im friedlichen Wettstreit mit anderen Werfern eingesetzt wurde. Allerdings waren die Begleitumstände dieser Wettspiele oft weniger friedlich, so dass sich Gerichte, Ämter, Kirchen und Landesfürsten mit unliebsamen Vorfällen beschäftigten mussten. Auch wurde in den Dörfern auf dem Sandboden in der Regel die breiten „Heerwege“ für das Üben bzw. für die Wettkämpfe benutzt, die zwischen Hof und Hof, zwischen Familie und Familie, zwischen Dorf und Dorf ausgetragen wurden. (Dass Passanten dabei nicht selten unliebsam belästigt, das heißt angeworfen wurden, lässt sich leicht denken.)
Mehrfach mussten früher das Militär oder die Gendarmerie aufgeboten werden, um die bei den Spielen entstandenen Unruhen zu schlichten. Eine Eintragung in dem ältesten vorhandenen Landgerichtsklagebuch im Staatsarchiv zu Aurich aus dem Jahre 1510 legt Zeugnis darüber ab, dass in Emden ein unachtsamer Spieler den Wirt mit dem Kloot gegen den Kopf geschossen hatte und so dem Kröger (Gastwirt) ein blaues Auge und zwei blutige Stellen am Kopf verschaffte. Die Holzkugel war im Laufe der Jahrzehnte mit einem Blei kern beschwert worden und hatte bei dem Wirt schmerzhafte Folgen hinterlassen. Da zu Beginn des 18.Jahrhunderts bei den Klootschießerwettkämpfen auch stark gewettet wurde – um Tonnen von Bier oder Krüge von Schnaps-, waren Saufereien und schwere Schlägereien bei Zuschauern wie Aktiven nicht ganz unüblich. Bei den Friesen galt die geballte Faust als wahrhaft schlagendes Argument, sie erst verlieh der eigenen Meinung oft den nötigen Nachdruck. Sicher wird es auch trotz fester Spielregeln Streitigkeiten um die Gültigkeit eines Wurfes oder um die Bezahlung der vorher vereinbarten Siegprämie gegeben haben. Dem Alkohol wurde eifrig zugesprochen, Gründe dafür gab es genug. Sei es in den Wintertagen das kalte Frostwetter, sei es der Sieg oder die Niederlage nach dem Wettkampf. Raufereien, Verwunderungen und sogar tödliche Verletzungen außerhalb der eigentlichen Spiele waren Grund für die Behörden einzugreifen. Durch behördliche und fürstliche Verordnungen, die teilweise von den Kanzler der Kirche verkündet wurden, mussten die Spiele vorübergehend verboten werden.

Die Anfänge des Boßelns
Zum Ende des 19. Jahrhunderts hatte sich zusätzlich zu dem Klootschießen (das auf der freien Baum- und Strauchlosen Marsch beheimatet war) das „Boßeln“ im friesischen Binnenland entwickelt, und zwar zeitgleich mit dem Ausbau von befestigten Straßen. Sportgeschichtliche Untersuchungen sowie schriftliche und mündliche Überlieferungen geben uns eindeutige Hinweise, dass sich unser heutiges Boßeln aus dem Kegeln entwickelt hat.
Von der Geest wird aus alten Urkunden häufig über das „Kegeln und Bosseln“ berichtet, das gern an Sonntagvormittagen und zur Kirchzeit von jungen Leuten betrieben wurde, wogegen die Behörden sich wiederholt wenden mussten. Kegelbahnen befanden sich früher im Freien und zumeist in der Nähe von Wirtshäusern. Dabei blieb das mit dem Spiel verbundene Wetten und Trinken nicht immer ohne Auswüchse, wurden Gegenstand von Behörden- und Gerichtsakten und uns damit schriftlich überliefert.
Bei den zunehmend gut befestigten Wegen war die Versuchung groß, die Kegelkugel nicht nur gut gesetzt aus der freien Kegelbahn zu schieben, sondern zu einem Weitwurf die angrenzende Straße zu benutzen. Im mittelhochdeutschen Sprachgebrauch verstand man unter dem Begriff „Boßeln“ das Schlagen mit einer Kugel. Im Klartext – ein Boßler war ein Kegler.
In den ersten Anfängen des Boßelns galt es z.B. in der Fastnachtzeit oder nach dem Dreschen des Getreides, mit der rd. 14 cm dicken Hartholzkugel (einer wesentlich größeren Kugel als beim Klootschießen von rd. 6cm) auf den Straßen zu werfen.

Boßeln heute
Das Boßeln hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem echten Breitensport entwickelt. Auf den ausgebauten Straßen gewann das Boßeln immer mehr Freude, zumal es leichter zu handhaben ist als das Klootschießen. Nur durch die Weltkriege unterbrochen, wird das Werfen mit Pockholz- oder Gummikugel in fast allen Dörfern Oldenburgs und Ostfrieslands in Vereinen betrieben. So mag es auch verständlich sein, dass im ehemaligen Regierungsbezirk Aurich das Friesenspiel Bestandteil des Schulsports war. Die erstmaligen Einstellung eines Lehrers wurde in früheren Jahren hin und wieder sogar davon abhängig gemacht, dass der Lehrer die Schüler im Boßeln und Klootschießen unterweisen konnte.
Nicht ohne Grund sagt ein altes plattdeutsches Sprichtwort: „Toeerst lehr en Fresenjung dat Lopen, glieks dorna aber al dat Boßeln“ (=Zuerst lernt ein Friesenjunge das Laufen, gleich danach aber schon das Boßeln). In den 13 Kreisverbänden des Friesischen Klootschießerverbandes vereinigen sich heute 260 Vereine mit 45000Mitglieder, die insbesondere das Boßelspiel aktiv in allen Altersgruppen von sechs bis 80 Jahren ausüben (Darunter etwa 12000 Frauen).
Seit 1962 haben sich die Klootschießer- und Boßelvereine dem Landessportbund Niedersachsen als Mitglieder angschlossen. Vereine bildeten sich nicht nur in Oldenburg/Ostfriesland, sondern u.a. auch in der Lüneburger Heide, Osnabrück, Nordrhein-Westfalen und im Nordharz.  Die ersten Klootschießer- und Boßelvereine wurden – wie bereits erwähnt – um die Jahrhundertwende (1900) gegründet. Besonders interessant bei den Vereinen sind nicht nur die Mitgliederzahlen und die überregional anerkannten Leistungen, sondern auch die oft recht eigenartigen Vereinsnamen. „Liek ut Hand“ steht neben der Aufforderung „Hier up an“ bzw. „Free weg“ oder der Feststellung „He löppt noch“. Zu dieser Sammlung gehört auch der Aufruf „Hoog herut“, „Driev up“ oder „Laat´n lopen“. Trotz des ernsten Hindergrundes kann der Leser bei einem Nachruf eines Vereinsmitgliedes des Boßelvereins „Laat hum susen“ ein Schmunzeln sicherlich kaum verkneifen.
Beim Boßeln liegt das Ziel des Werfers darin, die Kugel möglichst flach auf der Straße aufzusetzen und weit ausrollen zu lassen. Die Art und Größe der Kugel (Der Boßel) war und ist nicht immer gleich. Während die Männergruppen mit dem größte und schwereren Boßeln werfen, nehmen die Jugendlichen und Frauen eine kleineres, leichteres Wurfgerät. Die Männer werfen z.B. mit der 12cm dicken und 1200g schweren Hartholzkugel oder mit der 10,5cm dicken Gummikugel. Das Spiel lässt sich ganzjährig ausüben, soweit nicht in den Wintermonaten Schnee und Glatteis auf den Straßen ein Werfen verhindern. Ähnlich dem Spielbetrieb der Fußballvereine beginnen die Mannschaftswettkämpfe im September und enden im März / April. Anschließend beginnen die Einzelmeisterschaften, zu denen die Spitzensportler der Klootschießer und Boßler aufgerufen sind.

Spielregeln für Freizeitmannschaften
Beim heute praktizierten Mannschafts-Straßenboßeln als Rundenwerfen werden in der Regel 10 Runden geworfen. Das heißt jeder Werfer einer Mannschaft, die aus 5 Werfern besteht, wirf im Laufe des Wettkampfes zehnmal. Die Wurfstrecke, die insgesamt nicht mehr als 10km betragen sollte, wird in 5Hin- und 5 Rückrunden unterteilt. Ein Wendepunkt markiert die Halbzeit des Spiels. Die Werfer einer Mannschaft werden nach einer vorher festgelegten Reihenfolge eingesetzt. Der Anwurf erfolgt durch den Werfer 1 der Mannschaft A. Die Kugel wird mit einem Unterhandwurf flach aufgesetzt. Es folgt Werfer 1 der Mannschaft B. Als nächster wirft nun Werfer 2 der zurückliegenden Mannschaft. Erreicht auch dieser nicht die Weite des Werfer 1 der Gegenpartei, hat dieser bereits den ersten „Schöt“ (Wurf oder Punkt) erzielt. Damit nun die Wurfreihenfolge bestehen bleibt, setzt hier Werfer 2 aus. Die zurückliegende Mannschaft legt einen neuen Wurf vor. Dieses Prinzip setzt sich nun über alle 10 Runden fort. Sieger ist die Mannschaft, die zu Spielende die meisten Schöts oder geworfene Meter vorweisen kann.
Jede Mannschaft wird durch einen sogenannten „Bahnweiser“ begleitet, der die Werfer zur Ziel- und Orientierungshilfe unterstützten. Dies kann notwendig sein, da die Wurfstrecke häufig nicht in voller Länge eingesehen werden kann.

Spielregeln für Ligenwettkämpfe (Mannschaftswerfen)
Eine Mannschaft besteht aus 8 Werfern + 2 Ersatzwerfern, 4 Gummiwerfer, 4 Holzwerfer.
Die Reihenfolge der Werfer wird vor Beginn festgelegt und darf im Laufe des Wettkampfes nicht verändert werden.
Werfer 1 von Team A (Gastgeber) wirft vom markierten Anfangspunkt an und wirft 100m, Werfer 1 von Team B (Gast) wirft ebenfalls vom markierten Anfangspunkt an und wirft nur 50m, somit ist Team A 50m vor. Der Werfer 2 der zurückliegende Kugel (In diesem Fall Team B) wirft nun und wirft nur 30m, da die Boßel die Gastgeberboßel nicht überworfen hat, hat Team A einen Schöt. Nun ist Werfer 3 von Team B an der Reihe und wirft weiter als die Boßel des Teams A liegt, somit liegt nun die Boßel von Team A hinten und Werfer 2 von Team A darf werfen, falls dieser Wurf nicht soweit ist wie von Werfer 3 Team B ist der Schöt wieder „Kaputt“.
Es wirft immer die zurückliegende Mannschaft. Gewonnen hat die Mannschaft mit den meisten Schöt und Metern.

Der Bewegungsablauf beim Boßeln und Klootschießen
Das Boßeln und Klootschießen umfasst einen Bewegungsablauf, der sich vereinfacht in drei Einzelbewegungen aufteilen lässt:
a) Einen ca. 15-20m langen Sprint (als Anlauf zum Wurf)
b) Den Wurf an sich (flacher Unterhandwurf)
c) Das an- bzw. abschließende schnelle Weiterlaufen oder –gehen (in den Zeiträumen zwischen den Würfen beim Straßenboßeln und bei Klootschießerfeldkämpfen).
Der Boßelwurf steht in direkter Abhängigkeit zur Straße als sich ständig veränderndem Spielfeld, was eine Vielzahl von Wurftechniken erfodert. Nach einem kurzen Sprint sind die letzten Schritte des Anlaufs Ausgangspunkt des Boßelwurfs. Hier beginnt die Ausholbewegung (rechten) Wurfarm nach hinten und so die Vorbereitung des nachfolgenden Wurfes. Anschließend erfolgt ein Stemmschritt, wobei das linke Bein in Vorlage tritt. IN der Hauptphase des Wurfs wird abschließend in einer Kreisbewegung der rechte Arm um die Schulter nach vorne geschnellt. Beide Teilkräfte (Wurfkraft des Armes und Stemmschritt) ergeben zusammen die Anfangsfluggeschwindigkeit der Kugel, die die Wurfhand noch unterhalb der Gürtellinie verlässt.
Für den gesamten Bewegungsvollzug gilt bei geübten Werfern, je größer die Kraftanstrengung beim Wurf, desto größer auch die zu erwartende Wurfweite. Meisterwürfe bis zu 400 Meter können bei günstigen Straßenverhältnissen von einem Spitzenboßler durchaus erzielt werden. Dank der unterschiedlichen Straßenbeschaffenheit und Wurfgenauigkeit kommt trotz größter Kraftanstrengung auch ein „Pudel“ vor.
Beim Wurf mit der Pockholzkugeln lässt sich die Straßenbeschaffenheit (z.B. Wölbung) durch entsprechende Handtechniken in zusätzlichen Weite umsetzen. Man unterscheidet wie beim Kegeln hier die Würfe mit einer Drehung „über den kleinen Finger“ oder „über den Daumen“ bzw. „gerade aus der Hand“. Diese Techniken werden vor allem vor und in Kurven, aber auch auf gerader Strecke angewandt. Bei entsprechenden Straßenverhältnissen kippt z.B. der auf der rechten Straßenseite anlaufende Rechtswerfer den Unterarm zum Zeitpunkt des Abwurfs nach innen. Der Boßel verlässt die Hand über den kleinen Finger und erhält dabei einen Linksdrall, der ihn möglichst lange am höchsten Punkt der Straßenwölbung hält. Gleiches gilt für den Wurf über den Daumen, verbunden mit einem Rechtsdrall der Kugel. Die Techniken ermöglichen die beste Ausnutzung der sich ständig verändernden Straßenverhältnisse. In sehr engen Kurven bietet es sich evtl. sogar an, den Anlauf un die Wurfkraft zu verringern.
Wesentlicher Unterschied beim Klootschießen zum Boßelwurf ist hier, dass der Abwurf von einer Art Rampe (einem Sprungbrett) aus getätigt wird. Dabei wird der Bremskraftstoß, welcher beim Sprung auf das Brett entsteht, verstärkt. Die so gewonnene Kraft überträgt sich über den Körper auf die Kraft des Wurfarmes und erzeugt auch hier die Anfangsfluggeschwindigkeit des Wurfgerätes, des Klootes. Entscheidend für das Gelingen der Wurfleistung ist die Schrittfolge während der letzten Bodenkontakte. Mit dem drittletzten Kontakt (vor dem Brett) beginnt die eigentliche Hauptbewegung, das kurze rückwärtige Armkreisen des Wurfarmes. Es erreicht seinen Höhepunkt bei der Sprunglandung auf der Abwurframpe mit dem fast gleichzeitigen Vorschnellen (in einer vollen Kreisbewegung nach vorne) des Wurfarmes. Während sich die entstehenden Teilkraft aus Schleuderbewegung und Sprung addieren, verlässt die Kugel die Hand des Werfers bei Felkämpfen (mit Trüll) unterhalb der Hüfte und bei Standkämpfen (ohne Trüll) etwa in Hüfthöhe.

Begriffs- bzw.
Worterklärung (nd. = niederdeutsch)


„Achtung Boßelspiele“
Zusatztafel zum amtlichen Verkehrszeichen nach Bild 101 STVO („Gefahrenquelle“)
Anlaufmatte
20-25 m langer roter Sisalläufer
Bahn(an)weiser
Verantwortlicher einer Mannschaft, der die gewünschte Wurfrichtung anzeigt
Bahn free (nd.)
die Bahn (Straße) bitte frei machen
BoßelBoßel Kugel aus Holz, Gummi oder Kunststoff
Boßeler(in)
Werfer/in mit dem Boßel
Boßeln
Das Werfen mit dem Boßel
Boßelfangkorb, Kraber
an einem ca. 1,80m langen Stiel befestigter Metallkorb (Ø 15 cm), um den Boßel aus den Gräben zu holen
Drall
Drehung
Düssel (nd.)
Dechsel oder Dachsbeil (Queraxt der Zimmerleute zum Bearbeiten von Holzbalken – wird beim Klootschießen
benutzt, um den hartgefrorenen Boden für den Anlauf zu ebnen)
Düsseler
Verantwortlicher im Klootschießerfeldkampf, der mit dem Düssel die Anlaufbahn ebnet
Feldkampf
Klootschießerwettkampf auf dem freien Feld
FKV
Friesischer Klootschießer Verband
Fleu herut (nd.)
fliege heraus
Flücht (nd.)
Weite des Wurfes durch die Luft bis zum erstmaligen Aufschlag
Flüchten (nd.)
das Werfen mit der Kugel durch die Luft
Free weg (nd.)
frei weg
Friesenspiel
der Wettkampf im Klootschießen oder Boßeln
Friesensport
Sammelbegriff für die verschiedenen Disziplinen
Gummikugel
Kugel aus Hartgummi
Heerweg
überregional bedeutsamer Verkehrsweg im Mittelalter
He löppt noch (nd.)
er läuft noch
Hier up an (nd.)
hier auf an (in diese Richtung)
Hoog herut (nd.)
hoch hinaus
Käkler (nd.)
Zuschauer oder Begleiter
Kloot (nd.)
Kugel (nds. Form von Kloß)
Klootschießendas Werfen mit dem Kloot
Klootschießer/inder/die Werfer/in mit dem Kloot
Kloot uphangen (nd.)Herausforderung zu einem Klootschießer- oder Boßlerwettkampf
Kreetler (nd.)Schiedsrichter beim Klootschießen
Kroog )nd.)Gastwirtschaft
Kröger (nd.)Gastwirt
Krug (Schnaps)
altes Hohlmaß (ca. 1,4 l)
Laat´n lopen (nd.)
lass ihn laufen
Laat hum susen (nd.)
lass ihn sausen
Liek ut Hand (nd.)
gerade aus der Hand
Lüch up un (nd.)
hebe ihn auf
Mäkler (nd.)
Bahn(an)weiser – markiert dem Werfer den günstigsten Punkt für den Aufprall des Klootes
Möten (nd.
den Boßel oder den Kloot unberechtigt bzw. unbeabsichtigt anhalten
Pockholzkugel
Kugel aus Pockholz (Holz des tropischen Guajakbaumes) mittlerweile ersetzt durch eine Kunststoffkugel
Schöt (nd.)
Wurf (ursprünglich „Schuß“)
Smieter (nd.)
Werfer
Sprungbrett
in der Höhe verstellbares, mobiles Absprungbrett
Standkampf
Wettkampf, der ausschließlich von einer Abwurflinie ausgeführt wird
Stockleger
Verantwortlicher, der beim Klootschießerfeldkampf die Stelle mit einem eingekerbten ca. 1m langen Stock markiert, wo der Kloot liegengeblieben ist
Streckenwerfen
Wettkampf, der auf einer vorgegebenen längeren Strecke mit wechselnden Abwurflinien geführt wird
Tree (nd.)
Schritt (ca. 1m)
Trüll (nd.)
Auslauf der Kugel auf dem Boden
Unterhandwurf
die Kugel liegt auf der Handfläche


Quelle: Boßeln und
Klootschießen – die Heimatspiele der Friesen Von Hillrich Reents
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